Etwa jedes fünfte Kind in Deutschland wächst laut aktuellen Studien mit einem suchtkranken Elternteil auf. Das sind knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche. Die jungen Menschen sind häufig stark belastet und haben ein hohes Risiko, selbst zu erkranken. Auf diese Situation macht der Verein NACOA Deutschland vom 18. bis 24. Februar mit einer bundesweiten Aktionswoche unter dem Motto „Wir sind Millionen!“ aufmerksam. Auch verschiedene Akteure aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligen sich.

„Betroffene Kinder fühlen sich durch die Sucht der Eltern oft unsicher und unsichtbar“, sagt Dr. Kristin Pomowski, Koordinatorin der Landesfachstelle KipsFam MV (kurz für: Kinder aus psychischen und/oder suchtbelasteten Familien). „Häufig übernehmen sie Aufgaben der Erwachsenen und müssen sich an die Stimmungen und Bedürfnisse der Eltern anpassen – dabei sollte es eigentlich andersherum sein.“ Hinzu komme, dass die jungen Menschen von klein auf lernen, das „Familiengeheimnis“ zu hüten: „Ihr eigenes Leid bleibt oft unerkannt.“

Dabei sind auch in MV viele junge Menschen betroffen, wie der aktuelle Suchtbericht der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen (LAKOST MV) zeigt: Nach Angaben von Geschäftsführerin Birgit Grämke haben die Suchtberatungsstellen im Land im Jahr 2022 mehr als 3.600 Eltern erfasst, die alkohol- oder drogenabhängig waren. Dunkelziffer unbekannt. „Ihre Kinder sind Risikokandidaten: Etwa zwei Drittel von ihnen sind als Erwachsene selbst abhängig oder entwickeln psychische Störungen.“ Doch die Expertin sieht auch Grund zur Hoffnung: „Die Kinder sind extrem widerstandsfähig und haben vielfältige Begabungen. Mit der richtigen Unterstützung können sie sich zu gesunden, lebensfrohen Menschen entwickeln.“

Um Fachkräfte zu sensibilisieren, informiert die LAKOST während der Aktionswoche auf einer digitalen Fachtagung. Der Verein FAS(T)D perfekt MV e.V. macht zudem auf ein weiteres Problem aufmerksam: Die fetale Alkoholspektrumstörung FASD, die als häufigste angeborene Behinderung in Deutschland gilt. Sie kann entstehen, wenn werdende Mütter Alkohol konsumieren. Laut LAKOST-Bericht taten das 2022 etwa die Hälfte der Klientinnen. „Das ungeborene Kind kann bereits durch kleine Mengen Alkohol während der Schwangerschaft lebenslang geschädigt werden“, so Conny Kirsten vom Verein. „Daher sollten werdende und stillende Frauen komplett auf Alkohol verzichten.“ Alle Termine während der Aktionswoche werden im Internet unter www.coa-aktionswoche.de gesammelt.

Nach Abschluss der Woche lädt die Landesfachstelle KipsFam am 26. Februar zu einem Themenabend: Im Dock Inn in Warnemünde liest Bestseller-Autorin Caroline Wahl ab 17 Uhr aus ihrem Debütroman „22 Bahnen“, in dem die Protagonistin unter anderem lernt, mit der Alkoholsucht der Mutter umzugehen. Die Lesung wird eingerahmt in ein musikalisches Programm zum Thema sowie eine Gesprächsrunde mit Fachleuten und Betroffenen. Die Veranstaltung ist kostenlos..